08/08/2024 0 Kommentare
Predigt zum Ewigkeitssonntag 26.11.2023 zu Joh 20, 11–18
Predigt zum Ewigkeitssonntag 26.11.2023 zu Joh 20, 11–18
# Predigten
Predigt zum Ewigkeitssonntag 26.11.2023 zu Joh 20, 11–18
von Pastorin Regina Nitz
Liebe Gemeinde, sie hatte ihn so geliebt – und er sie. Sie hatte ihn so verehrt – und er hatte ihr geholfen, wieder ins Leben zu kommen, ihre bösen Geister, ihre Traumata hinter sich zu lassen.
Sie hatte ihn unterstützt – und er hatte oft gelächelt, wenn sie in seiner Nähe war.
Und zusammen hatten sie eine große Vision und waren unterwegs gewesen, innerlich und ganz praktisch zu Fuß, über Land.
Maria Magdalena und Jesus – und auch wenn diese Liebe vielleicht mehr geistig war – so wissen wir, daran hat sich seit 2000 Jahren nichts geändert – dass das Geistige in der Liebe sehr, sehr tief geht.
Aber jetzt war er tot, öffentlich ermordet worden – Maria Magdalena war noch völlig durchgeschüttelt von der Kreuzigung, der Brutalität der Soldaten, der gaffenden Menge. In ihren Ohren hing das Schreien Jesu fest.
Und sie wusste nicht, wie sie damit weiterleben sollte.
Wenn man liebt und denjenigen verliert, dann ist man erst einmal auf 0 gestellt.
Wie lebt man weiter? Wie lebt man, auch wenn man das Liebste verliert?
Das ist für mich die Frage heute morgen: wie lebt man weiter. Weiter – trotz Depression, trotz des Gefühls der Sinnlosigkeit: Ist doch egal, ob ich heute aufstehe oder nicht - trotz dieses bohrenden Schmerzes, den der Tod des geliebten Menschen verursacht.
Wie lebt man weiter – wie können wir weiterleben – trotz unseres Verlustes – das ist die Frage, und das Bild, das Sie in der Hand halten, und auch der Bibeltext dazu will auf diese Frage antworten.
Zuerst der Text: Er steht im Johannes-Evangelium Kapitel 20, Verse 11–18
11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. 12 Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. 13 Diese sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. 14 Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. 15 Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen. 16 Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.[2] 17 Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. 18 Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.
Sie Lieben!
Auf ihrer Karte sehen Sie die genau diese Szene: Es ist der Moment, in dem Maria Magdalena Jesus erkennt. Sie ist ihm ganz zugewandt – und er halb, passend zu dem Satz: Halte mich nicht fest! Er ist halb abgewandt, als würde er sich in Sicherheit bringen – obwohl er sie anspricht: Maria!
Und die beiden Hände, schauen Sie mal: Sie sind aufeinander zu – aber sie erreichen sich nicht.
Dieses Bild erzählt Ostern nach dem Johannes-Evangelium – und es antwortet auf die Frage: wie können wir trotz Trauer, trotz Schmerz weiter leben.
Also – wie?
Genau wie wir, wenn der oder die, die wir lieben, gestorben ist, ist unser erster Impuls: Festhalten. Noch die Nähe, die irgend möglich ist, festhalten:
Wir schnuppern an der Wäsche, um den geliebten Duft zu riechen.
Wir gucken uns Fotos an und versuchen, schöne Erinnerungen zu verankern.
Wir gehen an die Orte, wo wir zusammen waren und beschwören die Bilder herauf.
Genau das macht Maria: sie sucht noch die letzte mögliche Nähe zu Jesus, zu dem sie – das wird deutlich in den Evangelien - eine besonders enge Beziehung hatte. Die letzte mögliche Nähe: sie geht zum Grab, wo sein Leichnam liegt.
Und sie beugt sich tief in die Grabkammer hinein, so heißt es, das soll heißen: Sie ist tief drin in ihrem Schmerz.
Und dann kommt die Wendung: Jesus spricht sie an, sie hört ihren Namen – und wie wir es manchmal brauchen, dass uns jemand und direkt und persönlich anspricht, bringt sie das einen Schritt weiter.
Und noch etwas erzählen Text und Bild: Nämlich, dass wir zwar gerne den Verstorbenen festhalten würden, dass das aber nicht geht. Irgendwann duftet die Wäsche nicht mehr – und es tröstet uns auch nicht mehr, sie zu riechen. Und auch die alten Orte wollen mit neuen Erfahrungen besetzt werden, wir spüren das.
Halt mich nicht fest! – Oder auch: du kannst mich nicht festhalten! Das sagt dieses Bild, das sagt die Geschichte von Maria Magdalena und Jesus.
Aber – und das ist erzählt die Geschichte auch: Frisch angesprochen und mit einem neuen Auftrag kannst du neu in Bewegung kommen, z.B. zu den Jüngern laufen. Mit einem neuen Auftrag, mit einem neuen Sinn – und dieser neue Sinn erwächst häufig gerade aus dem Schmerz.
Z. B. beraten manche verwaiste Eltern, wenn über ihre ersten Hürden rüber sind, andere Eltern, die ihr Kind frisch verloren haben. Klar – sie haben es gerade erlebt und wissen am besten, was die anderen Eltern gerade durchmachen.
Oder: Ich habe letztens eine alte Dame kennen gelernt, die als junge Mutter ins Frauenhaus flüchtete – und es dann später 20 Jahre lang leitete. Was für eine gute Personalwahl: Sie weiß, worauf es in so einer Krisensituation ankommt.
Maria Magdalena ergreift nicht irgendeinen Beruf, sondern sie wird Apostelin: Sie bleibt mit den Jüngern zusammen und erlebt Pfingsten und setzt Jesu Lebenswerk fort. Und ich wette, sie ist eine gute Seelsorgerin geworden, sie weiß ja, wie sich Schmerz anfühlt.
Dort, wo wir unseren größten Schmerz erlebt haben, können wir uns engagieren und so unseren Kummer bearbeiten und können weiter gehen, können neu mit anderen in Kontakt kommen, der ja in der Trauer und auch in der Depression oft abreißt.
Maria hört ihren Namen – und kann loslaufen, ohne Jesus festzuhalten. Der Kummer wird in ihr bleiben, aber sie kommt neu in Bewegung. Uff – der erste Schritt raus aus dem Schmerz ist geschafft!
Und sie ist kein Einzelfall, sondern in Maria Magdalena sind die Erfahrungen von vielen Menschen eingeflossen – sie ist eine narrative Figur, eine narrative Verdichtung – und wir können an ihr „lernen“ oder uns abgucken, wie es gehen kann, mit der Trauer und dem Weiterleben….
Deshalb bekommen Sie die Postkarte – als Erinnerung und Ermutigung, wenn Sie sich gefangen fühlen in Schmerz und Erinnerungen. Freunden wir uns mit Maria Magdalena an! –
Sie ist uns einen Schritt voraus und zeigt uns, wie wir neu lebendig werden können.
Na dann – versuchen wirs! – und werden neu lebendig - Amen
Das Kunstwerk: Noli me tangere – halt mich nicht fest! Rühr mich nicht an!
Guido de Piero (um 1396 – 1455), genannt Fra Angelico, also: Der Engelsgleiche, war Dominikanermönch und schon zu Lebzeiten eine Berühmtheit. Seine zarte, duftige und theologisch tiefsinnige Malerei wurde verehrt – er wurde an viele Orte gerufen, nach Brescia, Cortona, Orvieto, nach Rom beorderte ihn der Papst persönlich, damit er dort male.
1436 wies Cosimo de Medici den Dominikaners das Kloster San Marco in Florenz zu und Fra Angelico wurde mit der Ausmalung beauftragt.
Für jeden Mitbruder malte er zur persönlichen Meditation in dessen Klosterzelle ein Fresco – über 40 sind es geworden, man kann sie heute als Touristin besuchen. Fresco – „frisch“ bezeichnet die Malerei auf frischem, noch ungetrocknetem Putz.
Noli me tangere heißt dieses, also: rühr mich nicht an! Oder: Halte mich nicht fest!
Die Szene ist auf die Begegnung von Maria Magdalena und Jesus konzentriert – und interessant ist, wie der Maler das gleichzeitig zugewandte UND Abgewandte dargestellt hat: Jesus macht einen Kreuzschritt nach vorn und wendet sich gleichzeitig der knienden Maria zu und ab. Und ihre Hände sind aufeinander zu – berühren sich aber nicht.
Jesus trägt die Christusfarbe Weiß – Maria pastell-orange. Das Licht kommt von Jesus bzw von seiner Seite.
Das Kreuz ist präsent: In Jesu Wundmalen, im Heiligenschein und auch der goldene Zaun im Hintergrund ist wie der Querbalken zur Gestalt Jesu.
Beide Personen scheinen fast zu schweben – alles wirkt zart und duftig, nicht einmal der Felsen wirkt massiv. Die Pflanzen sind zart und fein gemalt und auch die Gesten sind es. Man kann sehen: Es geht hier um einen zarten inneren Vorgang, um erkannt-werden und um weiterleben-können.
Frau Angelico wollte alle, die sein Bild betrachten, zum Weiterleben ermutigen.
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